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AutorenbildVincent Venus

Campaigning für Jugendorganisationen

Aktualisiert: 12. Jan. 2020

Ohne Aktivisten keine Kampagne. Das ist ein wichtiger Fakt und war gleichzeitig der Grund für diesen Artikel. Vier Monate vor der Europawahl im Mai 2014 startete die Jungen Europäischen Föderalisten (JEF) ihre Kampagne „Wecke den Europaretter in Dir“. Um diese Kampagne vorzubereiten stellte ich im Herbst 2013 die Grundzüge einer politischen Kampagne im JEF-Mitgliedermagazin treffpunkt.europa vor. Hier der leicht verallgemeinerte Artikel, der Campaigning für Jugendorganisationen zusammenfasst.


Was wollen die Mitglieder – und was können sie leisten?

Alle Pläne eines Bundesvorstands sind wertlos, wenn die Mitglieder nicht mitmachen. Ein Beispiel aus der Bundestagswahlkampagne der SPD 2013 illustriert das: Die Zentrale in Berlin schickte täglich neue Ideen, die in den Wahlkreisen umgesetzt werden sollen. Aber viele der Ortsvereine waren nicht einmal in der Lage, Plakate aufzuhängen. Diese Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis können sich Jugendorganisationen noch weniger leisten, als die Parteien. Deswegen müssen die Bundesvorstände wissen, was die Mitglieder eigentlich wollen und leisten können. Das kann durch Onlinebefragungen und eine verbandsübergreifende Arbeitsgruppe sichergestellt werden. Gleichzeitig müssen alle die Grundlagen des Campaignings verstehen, damit ein Verband gemeinsam erfolgreich sein kann. Deswegen sollten alle aktiven Mitglieder an das Thema herangeführt werden – zum Beispiel durch solch einen Artikel im Mitgliedermagazin oder -blog.


Kampagne: Was ist das?

Eine Kampagne besteht aus Aktionen, die darauf abgestimmt sind ein (!) Ziel zu erreichen. Die drei für uns relevanten Arten davon sind:

  1. Die Informationskampagne macht auf etwas aufmerksam und klärt darüber auf, wie zum Beispiel die Anti-Aids-Kampagne „Mach‘s mit“.

  2. Die Aktionskampagne mobilisiert Menschen, die dann zusammen Druck aufbauen. Die JEF hat das mit der „Demokratie in Ungarn“-Kampagne 2012 versucht.

  3. Die Angriffskampagne diffamiert den Gegner, um sich selbst im besseren Licht erscheinen zu lassen. Ein Beispiel dafür ist das „Schnecken“-Video der Grünen gegen die schwarz-gelbe Regierung.

STRATEGIE: WAS IST DAS ZIEL UND WIE ERREICHEN WIR ES? Bevor wir mit Aktionen loslegen können, müssen wir erst einmal eine Strategie erarbeiten. Dazu müssen wir uns drei Fragen stellen:

1. Was ist unser Ziel? 2. Was sind die effektivsten Maßnahmen, um dieses Ziel zu erreichen? 3. Wie setzen wir unsere Ressourcen so ein, dass wir die Maßnahmen mit dem geringsten Aufwand umsetzen können?

Die erste Frage scheint einfach zu beantworten, sie ist jedoch die schwierigste. Dies erlebten die Teilnehmer der JEF-Akademie im Juli: während der Kampagnensimulation brauchten wir zwei Drittel der Zeit, um uns auf ein Ziel zu einigen. Die Frage nach dem Ziel ist nicht nur schwierig, sondern prioritär. Denn alles hängt von ihr ab: die Wahl der Maßnahmen, der Ressourcen und Aktionen der Aktivisten vor Ort.


Jede Maßnahme muss zum Ziel beitragen! Hier hilft es, von hinten zu denken. Beispiel: Die JEF will, dass zwei EU-Fahnen auf dem Reichstag gehisst werden (aktuell nur eine). Darüber würde der Ältestenrat entscheiden. Von hinten gedacht sähe eine Maßnahmenfolge so aus: Eine Sitzung des Ältestenrates identifizieren, auf der diese Entscheidung getroffen werden soll. Bis dahin eine Mehrheit der Mitglieder davon überzeugen. Vorher ein Mitglied finden, das unser Lobbying unterstützt und den Punkt auf die Tagesordnung setzt. Am Anfang der Kampagne analysieren, wer das sein könnte, und wer unserer Forderung zu- oder abgeneigt ist.


Neben der Reihenfolge ist also auch die Analyse der Zielgruppe wichtig: Wen müssen wir beeinflussen, um unser Ziel zu verwirklichen? Je genauer die Zielgruppe, desto effektiver die Maßnahmen. Darauf baut auch die Kommunikation auf: Mit welcher Botschaft vermitteln wir unser Ziel? Barack Obamas Botschaft 2008 war, dass die USA sich unter Bush in die falsche Richtung entwickelt haben. Nur mit ihm würde das Land wieder den richtigen Pfad einschlagen. Diese Botschaft wurde derart in Slogans verpackt, dass die Zielgruppe darauf ansprechen würde: „Change we can believe in“ und „Yes, we can.“ Merke: Es gibt nur eine (!) Botschaft pro Kampagne und die bleibt ausformuliert intern, um die Kommunikation zu leiten. Slogans kann es dafür mehrere geben, die jeweils auf eine Zielgruppe zugeschnitten werden.


Ressourcen bestimmen den Umfang der Kampagne. Die meisten Jugendorganisationen haben wenig Geld und nur wenige hauptamtliche Mitarbeiter. Die geringen Ressourcen, die wir haben, müssen wir deswegen unbedingt effizient nutzen. Onkel Dagobert dreht jeden Taler zweimal um, der/die SchatzmeisterIn jeden Euro dreimal.


AUCH WICHTIG: KANÄLE, TIMING, SPASS

Durch welche Kanäle erreichen wir die Zielgruppe mit unserer Botschaft? Für klassische Werbung fehlt uns das Geld. Möglich sind Internetaktionen, Flyer, persönliche Kontakte und die Presse. In der Regel hat davon die Presse die größte Reichweite. Liefern wir den Journalisten vor Ort etwas, das Nachrichtenwert hat und sie werden auf unsere Sache aufmerksam machen. Das ist selten unser neuester Beschluss, aber immer eine gute Aktion. Beispiel im JEF-Kontext: Färbt alle Zebrastreifen der Innenstadt mit Sprühkreide am Europatag blau und gelb und schickt der Lokalredaktion vorher eine Ankündigung und anschließend eine Pressemitteilung mit Fotos. Gerade in kleineren Städten habt ihr damit gute Chancen! Vielleicht folgt darauf ein Interview mit eurer Vorsitzenden, in dem ihr dann über Inhalte reden könnt. Egal ob die Presse darüber berichtet, eure Aktion gehört unbedingt auch auf die Web- und Facebook-Seite.


Das Timing entscheidet oft über Erfolg und Misserfolg einer einzelnen Aktion, aber auch der gesamten Kampagne: Am Tag der Bundestagswahl könnten wir mit 100 Mitgliedern nackt und blaugelb geschminkt über den Alexanderplatz tanzen und würden es trotzdem nicht in die Tagesschau schaffen – die Wahl wäre wichtiger. Deswegen müssen wir die politische Agenda und die Nachrichtenlage beachten, aber auch die Situation unserer Aktivisten. Beispielsweise haben in Prüfungszeiten Studenten wenig Zeit.

Aktivisten wollen nicht nur etwas erreichen, sondern auch Spaß haben. Auch wenn unser Anliegen ernst ist, sollten wir unsere Kampagne genießen können. Das gilt insbesondere für jene, die neu dabei sind. Bietet diesen Interessierten einen leichten Einstieg an und gebt ihnen nach und nach mehr Verantwortung. Dieses Prinzip heißt „Ladder of Engagement“. Die Internetseite der SPD zur Bundestagswahl 2013 illustrierte dies gut: Die Partei bittet um Unterstützung und bietet verschiedene Mitmachmöglichkeiten an: Von einem Facebook-Like bei „Ich habe 1 Minute“ bis Tür-zu-Tür-Wahlkampf bei „Ich habe eine Stunde Zeit“.


WARUM DAS GANZE?

Politisches Campaigning ist wichtig für politische Jugendorganisationen. Kampagnen:

  1. spitzen Positionen zu und tragen sie offensiv nach außen,

  2. erzeugen Aufmerksamkeit,

  3. machen Mitglieder zu Aktivisten,

  4. können neue Mitglieder gewinnen

  5. und bewegen hoffentlich etwas.

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