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AutorenbildVincent Venus

Europakommunikation in der Übersicht

Aktualisiert: 12. Jan. 2020

Europakommunikation ist wie ein Bus auf einer Serpentine, vollbesetzt mit Erstklässlern und stetig wechselnden Busfahrern: Viele Akteure schreien wild durcheinander und niemand weiß, wohin die Reise eigentlich geht. Ein Durcheinander, das viele Fragen aufwirft: Was ist Europakommunikation, wer betreibt sie wie und welche Probleme gibt es dabei? Dieser Artikel soll einen Überblick über die verschiedenen Aspekte liefern. Die weiteren Beiträge im Heft gehen dann näher auf die einzelne Punkte ein.

WAS IST EUROPAKOMMUNIKATION?

Europakommunikation kann als Vermittlung und Beeinflussung der europäischen Politik und ihrer Akteure verstanden werden. Drei Gruppen habe ich dabei ausgemacht. Die erste sind Aktivitäten. Wenn wir JEFer einen Bundesausschuss abhalten und darüber berichten, dann ist das Europakommunikation a la „30 junge Menschen diskutieren EU-Arbeitslosenversicherung“. Das Gleiche gibt es auch in Groß und liest sich auf Spiegel Online so: „EU-Jobgipfel im Kanzleramt: Merkel entdeckt ihr Herz für EU-Arbeitslose“. Die zweite Gruppe betrifft Wissen und Fakten. Das können die neusten Wachstumsdaten vom europäischen Statistikamt Eurostat sein, oder eine Auswertung des Wahlverhaltens im Europäischen Parlament durch Simon Hix. Die letzte Gruppe umfasst Meinungen. So steht beispielsweise im Wahlprogramm der Alternative für Deutschland: „Das europäische Parlament hat bei der Kontrolle Brüssels versagt“.

WER KOMMUNIZIERT EUROPAPOLITIK?

Vor allem jene, die Europapolitik machen, kommunizieren diese auch. Das sind Politiker, Parteien und die EU-Institutionen. Darüber hinaus gibt es noch weitere Akteure: Journalisten mit ihrer Themenauswahl und Meinungen, nationalstaatliche Organe wie Schulen und ihren Rahmenlehrplänen, Unternehmenslobbyisten, aber auch Nichtregierungsorganisationen (NGOs), wie die JEF, oder Initiativen wie die „League of Young Voters“ (Foto). Um erfolgreich Europapolitik kommunizieren und damit beeinflussen zu können, müssen diese Akteure auf der nationalen und europäischen Ebene operieren. Europapolitik wird schließlich nicht nur in Brüssel gemacht, sondern auch in den Hauptstädten. Wer dort eine Ministerin von seinen Ansichten überzeugt, sorgt dafür, dass die eigenen Positionen im Rat der Europäischen Union vorgetragen werden. Das führt dazu, dass beispielsweise der „Bundesverband der der Deutschen Spirituosen-Industrie und Importeure“ nicht nur ein Büro in Deutschland, sondern auch in Brüssel hat. Wir JEFer handhaben das ähnlich und versuchen in Berlin deutsche und in Brüssel über unseren Dachverband europäische Politiker zu beeinflussen.

WIE WIRD EUROPA KOMMUNIZIERT?

Kommunikation lässt sich in einem Sender-Empfänger-Modell erklären. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton (Sender) verschickt eine Pressemitteilung, in der sie zum Gewaltverzicht in Ägypten aufruft (Botschaft) an die Zeitungen (Kanal). Diese greifen ihre Äußerungen auf, so dass die Bürger (Empfänger) diese schließlich in der Zeitung nachlesen können. Allerdings hat das Internet diese Gradlinigkeit reduziert und teilweise ganz aufgehoben. Ist Ashtons Pressemitteilung erst einmal online, kann ihre Öffentlichkeitsabteilung nicht mehr kontrollieren, wie und durch wen die Botschaft verbreitet wird. So werden ihre Äußerungen beim Treffen mit Mursi auf der Facebook-Seite „Catherine Ashton Resign“ nicht nur wiedergegeben, sondern auch negativ kommentiert: „Hoffen wir, dass sie dort sehr sehr sehr lange bleibt. Vielleicht kann sie sich mit ihrem Freund Mursi eine Zelle teilen.“


Europapolitik erreicht die Massen größtenteils via Fernsehen, Radio und Zeitung. Auch wenn es die EU wegen der Krise öfters in die Abendnachrichten schafft, bleibt Europapolitik weiterhin ein Politikfeld, das viele nicht verstehen oder interessiert. So weiß nicht einmal die Hälfte der deutschen Bevölkerung, dass Europaabgeordnete direkt gewählt werden (Eurobarometer Frühjahr 2013). Die interessierte Minderheit schaut Euronews, greift auf Nachrichtenportale wie Euractiv oder EUobserver zurück und liest einige der über 200 aktiven EU-Blogs, die auf Bloggingportal.eu gelistet sind.


In den sozialen Netzwerken werden europapolitische Inhalte durch das Teilen und Diskutieren zwar an einige weitergereicht, die sich nicht gezielt informieren wollen. Die Massen werden dadurch jedoch nicht mit Europapolitik konfrontiert. Dafür sorgt die Filterblase. Bei Facebook lassen Algorithmen nur jene Beiträge im Newsfeed erscheinen, die vom Nutzer wahrscheinlich als relevant erachtet werden. Meine Beiträge zu Europa tauchen deswegen nur bei jenen Freunden auf der Facebook-Startseite auf, die mit mir regelmäßig interagieren.

DIE PROBLEME IN DER EUROPAKOMMUNIKATION

Drei Hauptprobleme lassen sich in der Europakommunikation ausmachen. Zunächst hemmt die Sprachenvielfalt den transnationalen Austausch – sowohl zwischen den Menschen, als auch zwischen den Politikern, Journalisten und NGOs. Darüber hinaus zementiert die sprachliche Zersplitterung die Grenzen zwischen den nationalen Politikgemeinschaften: Politiker wenden sich fast ausschließlich an ihr nationales Publikum und Bürger zum Großteil an ihre heimischen Politiker. Deswegen plädieren wir JEFer für Englisch als Arbeitssprache, die von allen EU-Bürgern beherrscht werden soll. Zweitens ist EU-Politik noch weiter weg von den Menschen als nationale Politik und wird auch noch weniger verstanden, weil beispielsweise ein Minister plötzlich Kommissar genannt wird. Die Lösung: Mehr politische Bildung an den Schulen. Drittes und aktuell schwerwiegendstes Problem ist das Fehlen klarer Konflikte und der dazugehörigen Gesichter. Konflikte sind der Treibstoff der politischen Kommunikation und die Personen auf den jeweiligen Seiten machen diese deutlich. Wenn in Deutschland Geld für die Infrastruktur fehlt, fordert Ramsauer eine Maut für Ausländer und wird deswegen von den Grünen kritisiert. Jeder versteht den Konflikt, auch ohne ein Buch über Infrastrukturpolitik gelesen zu haben. Leider fehlt diese Klarheit in der Europapolitik: es gibt keine Regierung, viele indirekt legitimierte Entscheidungsträger, und immer noch Beschlüsse, auf die nachher niemand festgenagelt werden kann. EU-Bürger müssen ihren Busfahrer wählen dürfen – und ihn feuern können, wenn er ein Ziel ansteuert, das die Mehrheit nicht will.


Die kommende Europawahl könnte dies möglich machen. Denn vor der Wahl werden die europäischen Parteien wahrscheinlich Spitzenkandidaten für das Amt des Kommissionspräsidenten aufstellen. Und diese Personalisierung ist vielversprechend: 55 Prozent der Europäer wären dann eher geneigt, zu Wahl zu gehen (Eurobarometer Herbst 2013). Hoffen wir, dass der Wahlkampf dementsprechend spannender wird!


Der Artikel erschien im JEF-Magazin treffpunkt.europa 2/2013 und leitete dort das Schwerpunktthema „Europakommunikation“ ein.


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