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AutorenbildVincent Venus

Fünf Punkte, die die SPD von Jim Messina lernen kann

Aktualisiert: 9. Jan. 2020



Die SPD hat Jim Messina als Berater verpflichtet. Seine Stärke, die Datenanalyse, kann er nicht ausspielen. Dennoch gibt es viel, das die SPD von Jim Messina lernen kann.


Letzte Woche hat die SPD bestätigt, dass sie Jim Messina als Berater für den Bundestagswahlkampf 2017 verpflichtet hat. Messina war 2012 Barack Obamas Wahlkampfmanager und ist heute u.a. Berater der britischen Konservativen. Daraufhin kommentierten Journalist Paul Munzinger von der Süddeutschen Zeitung, dass Messina der SPD nur wenig helfen können wird. Denn der deutsche Datenschutz verhindere die Mikro-Analyse von Wählern, auf denen die Erfolge der Demokraten 2008 und 2012 basierten.


Ich meine, dass Messina trotzdem helfen kann. Denn die US-Wahlkämpfer sind ihren deutschen Kollegen nicht nur in der Datenanalyse voraus. Dies habe ich festgestellt, als ich im September 2014 nach Texas reiste, um dort für acht Wochen eine State House-Kandidatin und den Gouverneurswahlkampf zu unterstützen (in Deutschland war ich SPD-Wahlkämpfer für die letzte Bundestags- und Europawahl). Im folgenden fünf konkrete Punkte, die Messina der SPD lehren kann.


1. Kämpfe bis zur letzten Minute

In Deutschland endet der Wahlkampf größtenteils in der Nacht vor dem Wahltag – in den USA geht er bis sich die Türen der Wahllokale schließen. Dass am finalen Tag kein Kampf mehr stattfindet, ist idiotisch. Bei der Europawahl 2014 hat sich jeder fünfte erst am Wahltag entschieden! Zukünftig muss die SPD bis zur letzten Minute auf die Wähler zu gehen. Urlaub können sich Wahlkämpfer und Kandidaten zwei Tage nach der Wahl nehmen.


2. Fange früher an zu kämpfen

Der Wahlkampf um den Gouverneursposten in Texas begann mehr als ein Jahr vor dem Wahltag, der für die State House-Kandidaten immerhin noch ein halbes Jahr vorher. In Deutschland hingegen ging der Europawahlkampf erst knapp vier Monate vor der Wahl los. Und das, obwohl es auch um die EU-Kommissionspräsidentschaft ging – ein weitaus mächtigerer Posten als der texanische Gouverneur. Zukünftig muss es früher losgehen, denn gute Planung braucht ihre Zeit. In dieser Hinsicht hoffnungsfroh stimmen die die Verpflichtung von Messina zweieinhalb Jahre vor der Wahl und die Ansätze des permanent campaignings von SPD-Ministern wie Steinmeier, sowie die Parteivorstandskampagne “Die SPD regiert. Das Land kommt voran”.


3. Züchte Frontschweine

In Deutschland tragen die regulären Parteimitglieder den Wahlkampf auf die Straße. Doch diese sind zum Großteil nicht darauf vorbereitet, den einfachen Bürger zu überzeugen. Weder was das Wissen, noch die Einstellung angeht. Im texanischen Wahlkampf gab es vor jeder Tür-zu-Tür-Aktion eine Schulung. Diese dauerte nur 20 Minuten – was ausreicht, um das Wesentliche zu vermitteln. Außerdem gab es nach jeder Aktion eine Nachbesprechung und mit der Zeit wurden aus den anfangs schüchternen Studenten und Rentnern Autoverkäufer-Typen. Bei der SPD gibt es viel zu wenige Schulungen und oftmals sind diese nur theoretisch, weil losgelöst von der eigentlichen Aktion. Das muss sich ändern. Denn für effektive Tür-zu-Tür-Aktionen braucht es Frontschweine.


4. Führe Kommandostrukturen ein

In deutschen Parteien wollen alle an allen Entscheidungen beteiligt werden. Diese Partizipation und innerparteiliche Demokratie mag für Friedenszeiten gut sein. Für einen Wahlkampf eignet sie sich aus verschiedenen Gründen nicht. Was ich 2014 bei Battleground Texas erlebt habe, war genau das Gegenteil von alle-reden-mit, nämlich stramme Organisation von oben. Da wurde jedem von Anfang an eingebläut: die Zentrale macht die Analyse & Strategie – und vor Ort wird diese best möglich umgesetzt. Das hat gut funktioniert bis ins kleinste Detail. In den letzten Tagen waren beispielsweise Zeitfenster von nur 5 Minuten vorgegeben, um den Fortschritt vor Ort an die höhere Ebene zu melden. So wusste die Zentrale genau, wo Verstärkung benötigt wird und verschob entsprechend Kapazitäten. In der SPD müssen die lokalen Wahlkämpfer und Kandidaten lernen, ihr Ego beiseite zu wischen.


5. Tue nur was wirkt

Statt das Geld ritualmäßig für Flyer und Plakate zu verballern, braucht es Studien darüber, welche Maßnahme welchen Effekt hat (in Deutschland!). Die Amis wissen: spreche mit dem Bürger den Wahlakt durch und die Wahlwahrscheinlichkeit steigt um 3,9 Prozent. Bringe die Bürgerin dazu eine “ich gehe wählen”-Karte auszufüllen, und die Wahrscheinlichkeit steigt um 4 Prozent. Schicke diese Karte kurz vorm Wahltag zurück und erhalte 6 Prozent. Solche Studien erfordern Mut. Denn die Partei muss dafür Kontrollgruppen schaffen, also z.B. in zwei sozio-ökonomisch ähnlichen Stimmbezirken unterschiedlichen Medien einsetzen. Natürlich will keiner der Kandidaten Gefahr laufen, ein neues, aber möglicherweise ineffektives Medium einzusetzen. Also muss der Parteivorstand Anreize schaffen und z.B. die Wahlkampfkosten übernehmen. Für diesen Mut haben auch die Demokraten lange gebraucht – es hat sich ausgezahlt.


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