top of page
AutorenbildVincent Venus

Operation Atalanta: Das kann die Militäroperation der EU.

Aktualisiert: 4. Mai 2020

Piraten im 21. Jahrhundert: Während auf den Kinoleinwänden tollkühne Männer nach Ruhm, Rum und Reichtum streben und dafür die eine oder andere spanische Galeone kapern, gefährden vor Somalia organisierte Kriminelle  Handel, Energiesicherheit und Menschenleben. Um dem ein Ende zu setzen, startete die Europäische Union 2008 die Operation Atalanta. Es gibt viele Gründe, warum die Mission mehr ist als der Kampf gegen Piraten.


Atalanta: Operation der Premieren

Zuerst einmal ist Operation Atalanta die erste Marinemission der EU. Zweitens, mit etwa 1.800 Soldaten ist sie eine der größten EU-Operation und dabei ausschließlich von militärische Natur. Drittens, Atalanta dient direkt EU-Sicherheitsinteressen, auch wenn das Hauptziel offiziell anders angegeben ist.

Am bedeutsamsten ist jedoch der Umstand, dass die Küste vor Somalia als Testfall für Militärkooperationen dient – und das unter der Führung der Europäischen Union. Vor diesem Aspekt muss jedoch erst einmal der Hintergrund der Mission beleuchtet werden.


Der Hintergrund

Somalia ist ein gescheiterter Staat, der seit 1991 kaum seine Hoheitsgewässer kontrollieren kann. Dies führte dazu, dass ausländische Unternehmen die Gewässer überfischten und Giftmüll entsorgten. Viele örtliche Fischer wurden ihrer Lebensgrundlage beraubt und sahen in der Piraterie einen Ausweg.


Mitte der 2000er wurde die Piraterie immer professioneller und damit bedrohlicher. 2008 entführten Piraten 42 Schiffe, was den UN-Sicherheitsrat motivierte zwei Resolutionen zu verabschieden. Die Europäische Union nahm diese als Grundlage für die Operation Atalanta und im Dezember des selben Jahres patrouillierten die ersten EU-Kriegsschiffe vor der Küste Somalias.

Hauptaufgabe der EU-Soldaten ist es, die Schiffe des Welternähungsprogramms (WFP) zu schützen: momentan ernährt es 1,5 Millionen Menschen, ein Drittel der Somalischen Bevölkerung. An zweiter Stelle steht der Kampf gegen die Piraterie und der Schutz anderer Schiffe. Darüber hinaus soll auch die Fischerei überwacht werden.


Erfolg oder Misserfolg?

Das erste Missionsziel wurde erfüllt. Laut EU-Angaben wurde kein Schiff des WFP erfolgreich gekapert seitdem es Begleitschutz gibt. Der Kampf gegen die Piraterie ist weniger erfolgreich. Zwar organisieren sich Reederer und Militärs immer besser, richten Schutzkorridore ein und informieren einander, doch die Zahl der Piratenangriffe steigt weiter an. 2011 wurden bisher 178 Angriffe vor der Küste Somalias an das „International Maritime Bureau“ gemeldet – 22 davon waren erfolgreich. Das sind so viele wie nie zuvor.

Sicherheitsexperten sehen in der Piraterie lediglich ein Symptom, dessen Ursachen auf dem somalischen Festland zu finden sind. So lange es keinen funktionieren Staat mit Gewaltmonopol und Küstenwache gibt, so lange wird es Piraten geben. Denn Piraterie lohnt sich. Die „One Earth Future Foundation“ schätzt, dass während 2005 für ein entführtes Schiff nur etwa 100.000 Euro Lösegeld bezahlt wurden, es 2010 schon 3,7 Millionen Euro waren.


Piraterie ist heute ein Geschäft, mit Piraten als Arbeitern, einer Infrastruktur in Piratenhäfen und Hintermännern, die alles organisieren: von der Anheuherung über die Vorfinanzierung von Angriffen bis hin zur Verpflegung der Geiseln. Dazu kommt, dass sich die Piraten immer weiter auf das Meer hinaus wagen. Mithilfe von Kuttern, die als Mutterschiffe fungieren, jagen sie im gesamten Arabische Meer, dem Golf von Aden und sogar dem westlichen Teil des Indischen Ozeans nach Opfern, wie diese Karte zeigt.


Eine neue Ära der Militärkooperation?

Die Piraterie wächst und die Ursachen werden nicht bekämpft – ein klarer Misserfolg also? Nein, denn aus einer sicherheitspolitischen Perspektive ist der Einsatz zukunftsweisend. Nie zuvor (außerhalb eines Krieges) arbeiteten Seestreitkräfte so eng zusammen – und das nicht unter der Führung der USA oder NATO, sondern der Europäischen Union.


Wer ist vor Ort?

Die größte Präsenz zeigt die EU. 26 Staaten haben bisher einen Beitrag zu Operation Atalanta geleistet, vier davon (Norwegen, Kroatien, Ukraine und Montenegro) sind nicht einmal Mitglied der Union. Da die Piraterie den Welthandel gefährdet sind allerdings nicht nur Atalanta-Schiffe vor Ort. Die NATO betreibt „Operation Ocean Shield“ und die USA die „Combined Maritime Forces“. Darüber hinaus sind Staaten wie Russland, Indien, China, Japan, Russland und sogar der Iran aktiv.


Koordinierung

Es gibt zwei bedeutende Formen der internationalen Koordinierung. Die erste ist zivil-militärisch: Kurz nachdem der UN-Sicherheitsrat 2008 ein Einschreiten beschlossen hatte, gründete die EU die Koordinierungszelle „EU NAVCO“ (European Union Naval Coordination Cell), um Absprachen zwischen den Seekräften zu erleichtern. Später richtete die EU das „Maritime Security Centre“ (Seesicherheitszentrum) ein, das Reederer mit den Streitkräften vernetzt. Mit Hilfe des Zentrums, können sich Schiffe für bewachte Konvois anmelden, um so einem Angriff der Piraten zu entgehen.


Darüber hinaus stellt das Zentrum Hinweise und Anleitungen zur Verfügung, um Risiken zu minimieren.

Daneben gibt es auch eine rein militärische Koordinierung: „SHADE“ (Shared Awareness and Deconfliction) ist ein monatliches Treffen verschiedener Nationen, um den Kampf gegen die Piraterie zu planen. Anfangs nahmen nur EU und NATO Kräfte daran teil, doch mittlerweile gehören über 20 Nationen zu den regelmäßigen Gästen der Konferenz, darunter auch China und Russland. Dies ist erstaunlich angesichts der eher schlechten Beziehungen zwischen einigen der Staaten.


Die Europäische Union ist vor der somalischen Küste die treibende Kraft. Nicht nur, weil sie das größte Flottenkontingent stellt, sondern weil sie zivile und militärische Schiffe koordiniert. Natürlich können die EU-Offiziere keinem chinesischem oder amerikanischem Kapitän Befehle erteilen, dennoch haben sie großen Einfluss – dank der Informationsinfrastruktur wie dem Seesicherheitszentrum. Warum gelang es der EU in diesem Fall eine Führungsrolle zu übernehmen?


Der Fall Atalanta zeigt, dass die Europäer schnell handeln können, wenn sie ihre gemeinsamen Interessen erkennen – und die über 20 Prozent des weltweiten Handels der durch die Region geht, sind ein gemeinsames Interesse.


Schiffe laufen unter europäischer Flagge, EU-Offiziere sichern Teile des Welthandels und andere Staaten schließen sich einer EU-Operation an. Wird die Europäische Union eine Militärmacht?

Gäbe es nur Fälle wie Atalanta könnte man diese Frage bejahen. Doch oft ist die Lage nicht so eindeutig wie vor der Küste Somalias. Zuletzt zeigte Libyen, dass die EU immer noch nicht in der Lage ist, als geschlossene Macht aufzutreten. Trotzdem beweist Operation Atalanta, dass die EU kann – sie muss nur auch wollen.


2012 nahm ich die Operation Atalanta als Fallstudie für meine Bachelor-Arbeit. Darin ging ich der Frage nach, ob die Europäische Union ein sicherheitspolitischer Akteur ist.


Dieser Artikel erschien zuerst auf Treffpunkt Europa online.

0 Kommentare

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen

コメント


bottom of page