Ich kann mit der aktuell grassierenden relativistischen Haltung gegenüber Russland nicht viel anfangen (siehe Sahra Wagenknecht, Jakob Augstein im SPON, oder Prof. John J. Mearsheimer im niederländischen NS-Journal (ab Minute 16:30) oder Evangelische Akademie am Starnberger See).
Sicher, es ist gut, sich auch in Russland hineinzuversetzen. Aber das rechtfertigt erstens keineswegs die Annexion der Krim und macht zweitens die EU/USA nicht zu den bad boys.
Russlands Verhalten ist falsch.
Und viele Meinungen, die jenes Verhalten verteidigen/relativieren, sind nicht schlüssig:
Erstes Beispiel: Wer die westlichen Kriege im Kosovo oder Irak kritisiert, kann damit nicht Russlands Vorgehen als „legitim“ erklären. Denn nach dieser Logik sind alle 3 Interventionen illegitim (und der Vergleich zu Kosovo hinkt schon deutlich).
Zweites Beispiel: Wer das Referendum auf der Krim als Akt der Selbstbestimmung der Russen ansieht, der muss auch z.B. Tschetschenien eine Abstimmung zusprechen.
Drittes Beispiel: Wer sagt, dass Russland aus geostrategischer Sicht so handeln darf/muss, der muss auch dem Westen zugestehen, geostrategisch handeln zu dürfen.
Viertes Beispiel: Ob an der neuen ukrainischen Regierung Neonazis beteiligt sind, spielt keine ausschlaggebende Rolle. Auch wie Russen in der Ukraine behandelt werden, spielt erst einmal keine Rolle – so lange, wie es zu keiner Vertreibung/Genozid kommt. Dann würde die Responsibility to Protect greifen und Russland müsste versuchen, ein UN Sicherheitsmandat zu kriegen. Von dieser Situation war die Ukraine aber weit entfernt. Bis dahin sind das alles innere Angelegenheiten der Ukraine – und Putin pocht doch immer darauf, dass sich fremde Staaten nicht in andere einmischen dürfen.
Zum Vorgehen der EU Ich finde das Vorgehen der EU genau richtig: einige Sanktionen, um den Druck aufrecht zu erhalten, aber immer Angebote zum Gespräch machen.
Ich war früher auch öfters für stärkere Antworten, glaube aber, dass in diesem Fall Vorsicht geboten ist. Im Gegensatz zu Libyen ist Russland eine Macht, die Krieg zurück nach Europa bringen kann. Die Gewaltspirale kann also bis zum bitteren Schluss nach oben gehen.
Darum lieber Sanktionen, die nach und nach aufgebaut werden. Dieses Vorgehen gibt beiden Seiten einen gesichtswahrenden Ausweg. Und der ist wichtig.
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